Zum fünfzigjährigen Bestehen der „Maus“,

Gesellschaft für Familienforschung e.V., Bremen

Aus: Norddeutsche Familienkunde, Bd. 10, Heft 1 – Jan.-März 1974

 

Von Elfriede Bachmann

Am 20. März 1974 kann „Die Maus“, Gesellschaft für Familienforschung e.V., Bremen, ihr 50jähriges Bestehen feiern. „Die Maus“ ist nicht die erste familienkundliche Vereinigung in Bremen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg fand das in Deutschland seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wiedererwachte Interesse an der Genealogie auch in Bremen in einer Vereinsgründung seinen Niederschlag. Die von Pastor Nebel, Seehausen, gegründete Ortsgruppe Bremen des „Vereins für niedersächsische Familienforschung in Hannover“ ging jedoch nach wenigen Jahren ein.

In den zwanziger Jahren nahmen einige Bremer den Gedanken wieder auf, die in Bremen und im Niederwesergebiet ansässigen Freunde der Familienforschung zusammenzuschließen, um so einen besseren Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Am 10. Juli 1923 fanden sich in dem kleinen Raum „Die Mausefalle“ des Restaurants „Bremer Ratsstuben“ acht Herren zu einer ersten Vorbesprechung ein. Man faßte die Gründung eines eigenständigen Vereins ins Auge; von dem Anschluß an eine andere auf die Geschichte Bremens ausgerichtete Vereinigung, die Historische Gesellschaft des Künstlervereins, sah man ab. Nach weiteren Aussprachen im engsten Kreis wurde am 20. März 1924 im Niedersachsenzimmer des „Hauses hinter dem Schütting“ die Gesellschaft für Familienforschung, Bremen, gegründet. Zu der Gründungssitzung waren der Kaufmann Alfred Gildemeister, Curt Marschall, Dr. med. Leo Schirrmacher, Oberpostrat Wilhelm Sparnecht, Ing. a.D. Johann Ültzen und Fregattenkapitän Gustav Wehner erschienen. Es galt noch, einen Namen für die neue Vereinigung zu finden, „etwas eigenartig Neues, ein kurzes Treffwort“, wie Johann Ültzen meinte. Auf einer zweiten Zusammenkunft am 31. März 1924 einigt man sich auf „Die Maus“; ein anderer Vorschlag, „Bremer Gluckhenne“, wurde verworfen. Die sechs Taufpaten, die Herren Marschall, Schirrmacher, Sparnecht, Ültzen, Wehner sowie Hans Schörling wollten mit dem Namen „Maus“ die Erinnerung an die erste Besprechung in der „Mausefalle“ wachhalten. Es wurde dann „unter allgemeiner Heiterkeit der Wunsch geäußert, die Mitglieder möchten emsig und eifrig wie die Mäuse in allen Winkeln und Speichern herumschnuppern, um auch zu den verborgensten Schätzen zu gelangen und sie für die Zwecke der Familienforschung auszunutzen – so heißt es in dem Sitzungsbericht.

Übrigens erweckte der ungewöhnliche Name nicht überall Schmunzeln oder Heiterkeit. Friedrich Wecken, der Bearbeiter des Taschenbuchs für Familiengeschichtsforschung, war der Überzeugung, dass die mit Mühe erreichte wissenschaftliche Anerkennung der genealogischen Vereine gefährdet wäre, „wenn wirklich, was ich mir aber bisher gar nicht vorstellen kann, ein neuer Verein einen Untertitel führen sollte, der alles andere als Wissenschaftlichkeit ankündet“ (Brief an Gustav Wehner vom 21. Mai 1924). In der 3. Auflage seines Taschenbuchs, die 1924 erschien, führte er die Gesellschaft, die sich in der ersten Zeit „Die Maus“, Verein für Familienforschung Bremen nannte, daher einfach auf als: „(Bremer) Verein für Familienforschung“.

Die Vereinigung sah als ihre Aufgabe die Familienforschung und die Beschäftigung mit verwandten Gebieten wie Namenforschung, Siegel-, Wappen- und Münzkunde an. Die Geschichte der Bremer Familien lag den Gründern natürlich besonders am Herzen.

Durch die Vereinsarbeit, die sich in regelmäßigen Zusammenkünften mit Vorträgen und Aussprachen, in Ausflügen zu familienkundlich bemerkenswerten Denkmalen und in einer eigenen Zeitschrift manifestierte, sollten außerdem in einer Zeit, in der der Glaube an überkommene Werte wie Familie und Heimat wankend geworden war, der Familiensinn und die Heimatliebe gefestigt und vertieft werden. Daher wollte man einen möglichst großen Personenkreis ansprechen: „Alle Bremer, buten un binnen, will de „Mus“ winnen!“

Die Mitgliederzahl stieg langsam; im November 1924 wurden 30 Mitglieder gezählt, ein Jahr später waren es fünfzig, wiederum ein Jahr danach 80 Mitglieder, Ende der dreißiger Jahre wurde die Zahl hundert überschritten. Heute hat „Die Maus“ wieder etwas über hundert Mitglieder.

Gleich nach ihrer Gründung nahm die Gesellschaft Kontakt auf zu überregionalen und benachbarten regionalen Vereinigungen, so zu der Zentralstelle für Niedersächsische Familiengeschichte e.V. Sitz Hamburg. Schon 1924 suchte man um Aufnahme in den Gesamtverein deutscher Geschichts- und Altertumsvereine nach und wurde im Jahre 1925 in diesen Verband wie auch in die im November 1924 gegründete Arbeitsgemeinschaft der deutschen familien- und wappenkundlichen Vereine aufgenommen. Auch nach dem letzten Kriege wurde „Die Maus“ wieder Mitglied des Gesamtvereins sowie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Genealogischer Verbände.

Am 25. April 1925 beging man im Städtischen Museum die Jahrfeier der „Maus“ und hielt die erste Hauptversammlung ab. Die inzwischen ausgearbeitete Satzung wurde vorgelegt und von der Versammlung angenommen. Darauf wählte man einen Vorstand. Erster Vorsitzender wurde Gustav Wehner, der den Verein mit großem persönlichem Einsatz bis 1933 und wieder von 1951 bis zu seinem Tode im Jahre1958 geleitet hat. Wehner veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur bremischen Familiengeschichte und nahm in außerbremischen Vereinigungen zum Teil eine führende Stelle ein; von 1935 bis 1945 war er erster Vorsitzender des „Herold“ in Berlin. Den zweiten Vorsitz erhielt Johann Ültzen (-Barckhausen); in seine Hand wurde wenig später auch die Schriftleitung der Vereinszeitschrift Blätter der „Maus“ gelegt. Schriftführer wurde Pastor Ernst Kobus, Lesum, Schatzmeister Alfred Gildemeister und Bücherwart Dr. Leo Schirrmacher. Am 15. Juli 1926 erfolgte die Eintragung in das Vereinsregister des Amtsgerichts Bremen. Die Vereinszeitschrift Blätter der „Maus“ erschien von November 1925 bis Dezember 1935 in zehn Heften. Sie gab einen Einblick in das reiche familienkundliche Quellenmaterial, indem sie Übersichten über Quellen, Quelleneditionen, Namenverzeichnisse zu biographischen Werken und Abhandlungen über einzelne Geschlechter brachte. Die Zeitschrift fand ihre Fortsetzung in der „Sippenforschung in Nordwest-Deutschland – Vierteljahreshefte (seit 1938 Viermonatshefte) der „Maus“, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen“, die in zwei Jahrgängen 1937/38 und 1938/1939 erschien. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat „Die Maus“

in enge Beziehung zu der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft mit dem Sitz in Göttingen. Sie beteiligte sich an der Herausgabe der „Göttinger Mitteilungen für genealogische, heraldische und verwandte Forschung“, die 1948 erstmals – unter dem Titel „Mitteilungen zur Förderung genealogischer und heraldischer Arbeiten“ - veröffentlicht und seit April 1949 von der Arbeitsgemeinschaft Genealogischer Verbände in Niedersachsen herausgegeben wurde, der auch „Die Maus“ angehörte. Aus den Göttinger Mitteilungen ging 1952 die „Norddeutsche Familienkunde“ hervor, als deren Mitherausgeberin „Die Maus“ zeichnet.

In den dreißiger Jahren übernahm die Gesellschaft, zum Teil im Auftrage des

Staatsarchivs Bremen und des Standesamts, in großer Zahl Ahnenforschungen. Die Geschäftsstelle wurde 1935 aus der Privatwohnung des damaligen Vorsitzenden Johann Ültzen in die Martinistraße 7/8, 1937 in die Martinistraße 12 verlegt. Der bremische Staat stellte Büroräume zur Verfügung; in Käthe Nauss hatte die Geschäftsstelle eine eigene Leiterin. Im Jahre 1944 wurde die Geschäftsstelle zerstört.

Die inzwischen aufgebaute Bibliothek und die umfangreiche, wertvolle familienkundliche Sammlung wurden nach Kriegsende aus dem Keller des Standesamts in der Straße Auf der Tiefer in den in der Straße Am Dobben gelegenen Hochbunker überführt, den das ebenfalls ausgebombte Staatsarchiv zugewiesen bekommen hatte.

Im Juli 1947 wurde aufgrund der von der Militärregierung gegebenen Vollmachten vom Bremer Senator für Schulen und Erziehung die Weiterarbeit der „MAUS“ unter einem politisch nicht belasteten Vorstand und bei Umbildung der Satzung genehmigt. Damit erwachte die „Maus“ zu neuer Aktivität. Am 27. August 1947 wurde ein neuer Vorstand gewählt. Den Vorsitz erhielt der bisherige stellvertretende Vorsitzende, Alfred Gildemeister, Schriftführer und stellvertretender Vorsitzender wurde Rechtsanwalt und Notar Dr. Wellmann, Schatzmeister Käthe Nauss. Der Posten des Bücherwarts blieb vorläufig unbesetzt; der Bremer Heraldiker Johannes Rudolph Maß wurde zum Beisitzer als heraldischer Beirat berufen. 1951 übernahm Kapitän zur See a.D. Gustav Wehner dann den Vorsitz.

Das Notquartier in den Dunkelkabinen des Archivbunkers wurde zum Mittelpunkt der Vereinsarbeit. Aus diesem Provisorium ergab sich eine enge Verbindung zwischen der „Maus“ und dem Staatsarchiv Bremen. Die Bande zwischen beiden wurden noch enger geknüpft, als nach dem Tode Wehners im Jahre 1958 regelmäßig Archivbeamte den Vorsitz der Gesellschaft übernahmen. Als das Staatsarchiv im Herbst 1967 aus der Behelfsunterkunft im Hochbunker und im Hause des Gewerbeaufsichtsamts am Dobben zum Präsident-Kennedy-Platz 2 umzog, erhielt daher auch „Die Maus“ in dem neuen Archivgebäude eine freundliche Heimstatt. In einem eigens für sie eingeplanten und hergerichteten Raum konnte „Die Maus“ ihre Bibliothek und ihre Sammlungen aufstellen und ihrer Arbeit nachgehen.

Die Archivbibliothek und die „Maus“-Bücherei ergänzen sich. Das Archiv stellte in dem Arbeitsraum der „Maus“ einen Teil seiner genealogischen Quellen auf und ergänzt zudem laufend, zusammen mit der „Maus“, die Stammtafelsammlung sowie die etwa 1600 Mappen mit größtenteils ungedrucktem Material über einzelne bremische Familien. „Die Maus“ ist ständig bestrebt, Bibliothek und Sammlungen durch Ankauf und Stiftungen von Büchern und Nachlässen zu erweitern.

Um die Erschließung der familienkundlichen Quellen der Gesellschaft wie auch des Staatsarchivs bemühen sich seit Jahrzehnten ehrenamtliche Kräfte der „Maus“. So wurden z.B. Namensverzeichnisse angefertigt für die Bürgereidprotokolle, für die Zivilstandsregister des ehemaligen bremischen Landgebiets, für Kirchenbücher und Kirchenrechnungen. Es wurden Personenstandsanzeigen in älteren Bremer Zeitungen erfaßt, so die der „Bremer Wöchentlichen Nachrichten von 1796 bis 1811. Auf Anregung Wehners wurden die Personalschriften der Staatsbibliothek – der jetzigen Universitätsbibliothek bis 1800. Bearbeitet von Hans Jürgen v. Witzendorff-Rehdiger. Bremen 1960“. In jahrzehntelanger entsagungsvoller Arbeit hat Tusnelda Forck (+) Forschungen zur Geschichte der bremischen Pastoren seit der Reformation betrieben.

Das in den erwähnten 1600 Mappen zusammengetragene, noch ständig anwachsende Material wird laufend durch Namenverzeichnisse erschlossen. Ebenso ist die Benutzung der Unterlagen über nichtbremische Familien durch eine Namenkartei erleichtert worden. Aus der Forschungsarbeit der Mitglieder ist eine größere Anzahl Veröffentlichungen hervorgegangen; stellvertretend für die Verfasser seien hier nur die Namen unseres früheren Bücherwartes, Tusnelda Forck, und unserer langjährigen Schatzmeisterin, Hanna Lampe genannt.

„Die Maus“ hält regelmäßig Sprechstunden ab und erteilt Auskünfte an Interessierte im In- und Ausland. Zwar werden die Veranstaltungen unserer Gesellschaft – Vortrags- und genalogische Abende, Zusammenkünfte mit benachbarten genealogischen Vereinigungen u. a. – gut besucht, aber die Zahl der Mitglieder, die sich für die Vereinsarbeit zur Verfügung stellen, ist äußerst gering. Daher kann die Gesellschaft ihre Auskunftstätigkeit nur noch in einem sehr beschränkten Maße durchführen und muß größere Forschungsaufträge ganz ablehnen.